Gartenstadt Lichterfelde Süd: Regenerative Wärme mit geringer Mietsteigerung

Best Practice

Die Berliner Genossenschaft Märkische Scholle saniert die rund 850 Wohnungen der „Gartenstadt Lichterfelde Süd“, ohne die Warmmiete erheblich zu erhöhen. Erfolgsfaktoren: Wärmedämmung, innovative Technik und - das Genossenschaftsmodell.

Gartenstadt Lichterfelde
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Energetische Sanierung: Gut für Klima und Mieter/innen

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers "Klimasozial sanieren".

An der Schwelmer Straße kann man das Land schon riechen. „Hertha-Zone“ hat jemand auf das Ortsschild geschrieben. Hier beginnt Berlin. Dahinter ist Brandenburg und ja – „das ist ein bisschen ländlich bei uns“ sagt Erika Gelewski, 83 Jahre alt. Die Häuser der Schwelmer Straße liegen direkt am ehemaligen Grenzstreifen. In den 1930er Jahren hat die Wohnungsbaugenossenschaft Märkische Scholle hier gebaut. Es war eines der ersten Projekte jenseits der Einfamilienhäuser auf dem Land um Berlin, dass die 1919 gegründete Genossenschaft errichtet hat: 450 Wohnungen in fast zwei Dutzend Mietshäusern. 400 Wohnungen aus den 60er Jahren kommen hinzu. Die Gebäude waren in die Jahre gekommen.

 

Jochen Icken, technischer Vorstand der Märkischen Scholle

„Nach einer eingehenden Bestandsanalyse in den Jahren 2011/12 war klar, dass es mit einer einfachen Wärmedämmung nicht getan sein würde“, sagt Jochen Icken, technischer Vorstand der Märkischen Scholle.

„Kernsanierung“ lautete der Plan, den die Genossenschaft dann 2013 den Mietern vorgestellt hat. „Kernsanierung“ ist das Einschneidendste, was Mieter/innen passieren kann. Neue Elektrik, neue Leitungsrohre, Heizkörper, Fenster, Bäder, Fassaden: Das heißt auch, dass die Häuser geräumt werden und die Mieter/innen für neun bis zwölf Monate umziehen müssen.

Dabei half: Das Versprechen, dass die Wohnungen nach der Sanierung besser und nicht viel teurer sein würden. „Eine solche Sanierung lässt sich nicht zu Null-Kosten machen“, betont Icken. Aber die Genossenschaft hat sich entschieden, nur etwa drei bis vier statt der damals zulässigen elf Prozent der Kosten der energetischen Sanierung auf die Mieten umzulegen. Also gerade mal ein gutes Drittel des Erlaubten. Der Verzicht auf Rendite hat einen einfachen Grund: Die Märkische Scholle will und darf als Unternehmen durchaus wachsen. Aber an einer Renditemaximierung kann sie als „eingetragene Genossenschaft“ kein Interesse haben. Regelmäßig schüttet die Märkische Scholle an die 5.000 Mitglieder – also die Mieter selber – eine Dividende aus. Oder die Gewinne bleiben im Unternehmen und werden wieder investiert. „Es geht uns vor allem darum, so ein Viertel wie die Gartenstadt Lichterfelde Süd attraktiv zu erhalten und die vorhandenen Mitglieder nicht zu verdrängen“, sagt Icken.

Nur einen Teil der Kosten umgelegt

Aber auch durch die Umlage von drei bis vier Prozent stiegen die Kaltmieten immer noch um 1,90 Euro je Quadratmeter. Dafür sanken die Heizungs- und Warmwasserkosten um ca. 1 € pro Quadratmeter. Mit der resultierenden Erhöhung der Warmmiete waren die Mieter/innen einverstanden.

Schwelmer Straße im Berliner Südwesten

In der Schwelmer Straße scheint die Sonne. Fast vier Jahre sind die ersten Sanierungen nun schon abgeschlossen. „Das sind sehr schöne Wohnungen“, sagt Erika Gelewski zufrieden. Ihr Sohn ist mit seiner Familie ebenfalls hier an den Stadtrand von Berlin gezogen. Das Umfeld ändert sich: Wenn die Alten sterben, suchen immer mehr Familien mit kleinen Kindern inzwischen die Lage am Stadtrand – zumal sich die Mieten bei Neuvermietungen in den Bestandswohnungen am Mietspiegel orientieren und im Neubau bei 8,50 bis 11,50 Euro liegen. Das ist immer noch sehr viel günstiger als im Stadtzentrum von Berlin. Dort sind im Neubau längst 20 Euro pro Quadratmeter gang und gäbe.

Auch andere Mieter/innen, die aus dem Haus treten, berichten nur Positives über ihren Vermieter: Die Zeit der Sanierung sei durch die Aus- und Einzüge anstrengend gewesen, aber die Märkische Scholle habe sich immer fair verhalten. „Und wenn mal die Heizung nicht funktioniert, reagieren sie schnell“, lobt eine andere ältere Dame. In einer Stadt wie Berlin, wo sich im Zentrum Demonstrationszüge unter dem Hashtag #mietenwahnsinn versammeln und die Telefonhotlines der großen Immobiliengesellschaften wie die schwedische Akelius oder Deutsche Wohnen mit Sitz in Berlin berüchtigt sind, grenzt das fast an ein Wunder.

Energie aus dem eTank

Um die 90 Millionen Euro hat die Märkische Scholle hier investiert. Finanziert wurde die Sozialverträglichkeit über drei Säulen: Mit der Umlage auf die Mieten; durch Fördermittel des Landes Berlin, des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW); und durch Quersubventionierung innerhalb der Genossenschaft. Denn in der Siedlung wurden auch neue Wohnungen gebaut: Dachgeschosse wurden ausgebaut und das Quartier wurde verdichtet. Außerdem erhielt die Genossenschaft 740.000 € aus dem Umweltinnovationsprogramm des Bundesumweltministeriums.

 

Modell der Gartenstadt Licherfelde

Datenblatt "Gartenstadt Licherfelde"

  • Mehrfamilienhäuser mit 850 Wohnungen [Anzahl Mieter/innen]
  • Eigentümerin: Wohnungsbaugenossenschaft Märkische Scholle
  • Sanierungskosten: 80 Mio. €
  • Geändert auf Solar- und Erdwärme, u.a., sowie Fernwärme und Kessel als Spitzenlastabdeckung
  • Primärenergiebedarf reduziert von 210 kWh/m² auf 30 kWh/m² im Jahr;
  • Energetische Maßnahmen: Wand mit Dämmung; Fenster dreifach verglast; geregelte Lüftung; Fußbodenheizung; Abluft- und Erdwärmepumpen mit Erdwärmespeicher; Solarstrom vom Dach; Stromspeicher
  • Weitere Maßnahmen: Modernisierung Bäder; Dachaufstockung; neue Elektrik, Stränge, Heizkörper
  • Modernisierungsumlage (damals max. 11 %): max. 3,7 %; 2 € €
  • Kaltmiete: von 4,80 €/m² auf 6,80 €/m²
  • Heizkosten: von 1,55 bis 2,15 €/m² auf 0,25 bis 0,45 €/m²
  • Warmmiete: von 7,94 €/m² auf max. 8,94 €/m²

Die Genossenschaft hat auf Niedrigtemperatur-Heizungen, Erdwärme, solare Wärme und Solarstrom gesetzt. Auf den Dächern blitzen die blauen Warm-Wasser- und die Solarstrom-Module. Letztere stellen einen Teil des Stroms für die Wärmepumpen bereit, um Wärme aus dem Erdreich zu ziehen. Die Solarthermieanlagen speisen in den kalten Monaten direkt in die Heizungen ein. Wenn mehr Wärme produziert als verbraucht wird, kann die Wärme in einem Erdwärmespeicher, dem sog. eTank mit einem Volumen von 400 Kubikmetern pro Gebäude unter der Erde gespeichert werden. Der eTank ist das besonders Innovative an dem Projekt: Nicht nur der Speicher selbst, sondern auch das darunterliegende Erdreich wird zur Speicherung der Wärme genutzt. Dadurch kann bis zu 80% des Ertrags der solarthermischen Anlage genutzt werden. „Der Primärenergiebedarf und damit die CO2-Emissionen sind um fast 85 % zurückgegangen“, sagt der technische Vorstand Icken. Die Spitzenlast wird nach wie vor durch Fernwärme abgedeckt. Eine Wärmeversorgung mit so geringen Vorlauftemperaturen wie bei der Solarthermie kann natürlich nur mit einer entsprechenden Gebäudedämmung funktionieren. Icken weist auf die dicke Außendämmung der Häuser, die mit einer 12 cm dicken Dämmschicht verkleidet wurden. „Für unsere Zwecke hätten aber auch 8 cm ausgereicht. Das Wäre energetisch auch sinnvoll gewesen. Um jedoch die KfW-Förderung in Anspruch nehmen zu können, mussten wir eine stärkere Dämmung anbringen.“ sagt Icken. Die Mieter/innen können sich jedenfalls vor einem unerwarteten Anstieg der Heizkosten sicher fühlen.

Eine genaue Darstellung der Technik ist hier zu finden.

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers "Klimasozial sanieren".